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Der Rückzug einer negativen Feststellungsklage stellt keinen definitiven Rechtsöffnungstitel dar.

Der Rückzug einer negativen Feststellungsklage stellt keinen definitiven Rechtsöffnungstitel dar.

Kommentierung
Rechtsöffnung

Der Rückzug einer negativen Feststellungsklage stellt keinen definitiven Rechtsöffnungstitel dar.

5A_383/2020 vom 22.10.2021

I. Sachverhalt

In einer Betreibung erhob die Betreibungsschuldnerin (B) Rechtsvorschlag und ersuchte sodann beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen um Feststellung, dass sie nicht Schuldnerin der in Betreibung gesetzten Forderung sei (negative Feststellungsklage). Diese Klage zog B wenige Monate später wieder zurück, wonach das Handelsgericht dieses Verfahren zufolge Klagerückzugs abschrieb. Der Betreibungsgläubiger (A) erhob daraufhin vor dem Handelsgericht im ordentlichen Verfahren Anerkennungsklage gem. Art. 79 SchKG. Er beantragte, B in Höhe der Betreibungsforderung zur Zahlung zu verpflichten, den Rechtsvorschlag zu beseitigen sowie definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Ein Dreivierteljahr später gelangte A zusätzlich an das Rechtsöffnungsgericht und beantragte dort ebenfalls, den Rechtsvorschlag zu beseitigen und die definitive Rechtsöffnung in Höhe der Betreibungsforderung zu erteilen. A führte an, dass mit dem Rückzug der negativen Feststellungsklage feststehe, dass die Betreibungsforderung bestehe. Das Rechtsöffnungsgericht trat auf dieses Gesuch nicht ein, da die noch hängige Anerkennungsklage seiner Auffassung nach das Rechtsöffnungsverfahren sperre (anderweitige Rechtshängigkeit nach Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO).

Abweisung der Beschwerde.

II. Kernaussagen der Entscheidung

1. Keine Rechtshängigkeitssperre zwischen Anerkennungsklage und definitivem Rechtsöffnungsverfahren

Das Bundesgericht verneint die Rechtshängigkeitssperre nach Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO. Die Hängigkeit einer Anerkennungsklage verhindere nicht die Einleitung oder Weiterführung eines Rechtsöffnungsverfahrens, da sich das Prozessthema und die Natur beider Verfahren unterscheide (E. 2.2.). Das eine ist auf materiell-rechtliche Feststellung der Forderung gerichtet (materiellrechtliche Streitigkeit), das andere als betreibungsrechtliches Verfahren auf die Fortsetzung der Betreibung (rein betreibungsrechtliche Streitigkeit). Der Rechtsöffnungsentscheid entfalte denn auch keine Rechtskraftwirkung mit Blick für den Forderungsprozess. Damit handele es sich um zwei verschiedene prozessuale Wege, so dass nicht ins Gewicht falle, dass die Rechtsbegehren um Beseitigung des Rechtsvorschlags und Erteilung der Rechtsöffnung in beiden Verfahren identisch waren (E. 2.3.). Das Bundesgericht konnte sich hier auf eine frühere Entscheidung abstützen (Urteil des Bundesgerichts 5A_400/2009 vom 12. November 2009 E. 1).

2. Rückzug einer negativen Feststellungsklage ist kein definitiver Rechtsöffnungstitel

Im Mittelpunkt der Entscheidung stand indes die Frage, ob der Rückzug einer negativen Feststellungsklage zu einem Titel führt, auf den gestützt die definitive Rechtsöffnung erteilt werden kann. Der Betreibungsgläubiger vertrat den Standpunkt, dass mit dem Rückzug der negativen Feststellungsklage feststehe, dass die Betreibungsforderung bestehe, so dass deshalb Rechtsöffnung zu erteilen sei. Er berief sich auf ein Urteil des Bundesgerichts (BGE 134 III 656), worin dieses das abweisende Aberkennungsurteil gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG – d.h. eine Sonderform eines negativen Feststellungsurteils – als definitiven Rechtsöffnungstitel anerkannt hatte (E. 3.5. der vorliegenden Entscheidung). Damit war zu klären, ob für den Klagerückzug das gleiche wie für das abweisende Aberkennungsurteil gilt, zumal der Klagerückzug nach Art. 65 und Art. 241 Abs. 2 ZPO eine gewisse Rechtskraftwirkung hat (siehe unten). Das Bundesgericht hat dies verneint. Den Hauptunterschied sah es darin, dass beim Aberkennungsurteil das Gericht die Betreibungsforderung «inhaltlich geprüft hat», während im vorliegenden Fall das mit der negativen Feststellungsklage befasste Gericht die Klage infolge des Rückzugs nicht materiell beurteilt hat (E. 3.6.). Das Leistungsbegehren im Zahlungsbefehl stelle – so das Bundesgericht – nur dann einen Ersatz für ein gerichtliches Leistungsbegehren dar, wenn das Gericht die Sache materiell geprüft hat. Das sei bei einem abweisenden Aberkennungsurteil der Fall, im vorliegenden Fall hingegen nicht (E. 3.6).

3. Keine Entscheidung zum Verhältnis von Art. 65 ZPO und Art. 241 ZPO

Der vom Bundesgericht ausführlich dargestellte Streitstand über die Dimension der Rechtskraft des Klagerückzugs (nur negative oder auch positive Rechtskraftwirkung?, E. 3.3-E. 3.4.) hatte für die Begründung des Bundesgerichts letztlich keine Relevanz und wurde offen gelassen: «Wie es sich mit dem Verhältnis von Art. 65 ZPO zu Art. 241 Abs. 2 ZPO verhält, kann angesichts dieses Ergebnisses offenbleiben.» (E. 3.6. i.f.).

III. Fazit

Über die hier berichteten Punkte hinaus ist das Urteil des Bundesgerichts auch wegen seiner Ausführungen an der Schnittstelle von SchKG und ZPO lesenswert.

iusNet SchKG 27.01.2022